Heinz Erhardt und sein Riga
Fast jeder erwachsene Deutsche wird sich an einen Ausspruch von Heinz Erhardt (1909-1979) erinnern, den ersten großen Komiker, der auch ein großer Kabarettist, Schauspieler, Komponist und Dichter war. Es war diese Bandbreite an Talenten, die den Humoristen Heinz Erhardt zu einem der ganz Großen seines Fachs machte. Seine Begabung erlaubte es ihm jederzeit, spontane Wortspiele einzustreuen und Redewendungen so zu verdrehen, dass sein Publikum Tränen lachte. Doch wer war dieser Heinz Erhardt eigentlich? Ein besonderer Mensch, zweifellos, aber wer in Deutschland kennt heute mehr als seine Filme? Wo war eigentlich sein Geburtsort?
Der Mann aus Riga – Mitglied einer baltendeutschen Familie
Heinz Erhardt wurde an einem eiskalten Winterabend, dem 20. Februar 1909 in Riga geboren, das damals zum russischen Zarenreich gehörte. Kurz nach der Geburt des Knaben trennte sich das Elternpaar. Vater Erhardt suchte in Deutschland als Kapellmeister sein Publikum. Die Mutter ging ins mondäne St. Petersburg – der Platz, an dem man damals sein musste, wenn man am glitzernden Leben der Prominenten, Reichen und Einflussreichen im Zarenreich teilhaben wollten.
Der junge Heinz Erhardt hatte eine turbulente Kindheit und Jugend zwischen St. Petersburg, Riga und Deutschland. Eingeschult wurde er von seiner Mutter in St. Petersburg, wo er es aber vor Heimweh nach Riga nicht lange aushielt. Zwischen 1919 und 1924 lebte er bei seinem Vater, der mit seiner zweiten, noch sehr jungen Frau bei Hannover wohnte. Danach folgten für den Jungen zwei Jahre auf dem deutschen Gymnasium Riga. Die durch das familiäre Hin-und-Her nötigen 15 Schulwechsel führten dazu, dass Heinz Erhardt am Ende keine Chance auf das Abitur hatte. Die meiste Zeit hatte der heranwachsende Heinz bei seinem Großvater mütterlicherseits verbracht, der in Riga – wo Heinz Erhardt sich zu Haus fühlte – eine sehr erfolgreiche Musikalienhandlung und Konzertagentur führte. Von 1926 studierte der junge Erhardt in Leipzig Klavier und Komposition. Dann jedoch bestimmte seine Großvater Paul Neldner, dass der musikalisch hochbegabter Enkel für eine kaufmännische Ausbildung in den Betrieb einzutreten hatte, um fortan Klaviere zu verkaufen, statt Klavier zu spielen. Damit musste Heinz Erhardt seinen Jugendtraum einer Pianisten-Karriere früh begraben. Bis 1938 blieb Heinz Erhardt hauptberuflich im Betrieb seines Großvaters tätig. Nebenberuflich trat er immer wieder mit selbst komponierten Stücken und selbst geschriebenen Texten in Kaffeehäusern und auf den Bühnen Rigas auf. Bei den Reichssendern Danzig und Königsberg trug er seit 1937 eigene Lieder vor. Auch auf der Theaterbühne des Deutschen Schauspiels in Riga trat Erhardt immer wieder auf. Inzwischen hatte er 1935 in Riga Gilda Zanetti (1923-1987) geheiratet, die Tochter eines ehemaligen italienischen Diplomaten in St. Petersburg. Aus der glücklichen Ehe gingen vier Kinder hervor.
Dann endlich, im Jahr 1938 erreichte Erhardt der Ruf nach Berlin. Er wurde von Willi Schaeffers ans Berliner Kabarett der Komiker engagiert und begleitete nebenher die zu jener Zeit berühmte Tänzerin La Jana. Künstlerisch hatte Heinz Erhardt nun seinen Durchbruch geschafft.
Im Jahr 1941 wurde der Künstler nach Stralsund zur Marine einberufen, da dort das Orchester einen Klavierspieler brauchte. Bis zum Kriegsende war Erhardt an wechselnden Orten in der Truppenbetreuung tätig – in der Freizeit schrieb er Friedensgedichte.
Nach dem Krieg zog Erhardt mit seiner Familie nach Hamburg-Wellingsbüttel und wurde Radiomoderator beim NWDR bald auch mit eigenen Sendungen wie „So was Dummes“. Ab Mitte der 1950er Jahre begann die große Zeit von Heinz Erhardt mit Filmkomödien wie „Witwer mit fünf Töchtern“, „Der Haustyrann“, „Immer die Radfahrer“, oder „Was ist denn bloß mit Willi los?“. Erhardts Markenzeichen wurde die große schwarze Hornbrille mit den dicken Gläsern, die im Volksmund „Glasbausteine“ genannt wurden.
Doch schon in den späteren 1960er Jahre verschlechterte sich Erhardts Gesundheitszustand, bis er 1971 einen Schlaganfall erlitt, dessen Folgen eine Aphasie war – er konnte nicht mehr sprechen und schreiben. Wenige Tage nach seinem 70. Geburtstag starb Heinz Erhardt am 5. Juni 1979 und wurde auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf beigesetzt.
Heinz Erhardt ist bis heute einer der beliebtesten, aber auch einflussreichsten Komiker Deutschlands, prägte er doch ganze Generationen folgender Komiker wie Otto Waalkes.
Riga auf den Spuren von Heinz Erhardt entdecken
Heinz Erhardt hat zeitlebens Riga als seine geliebte Heimatstadt bezeichnet, in der er seine glücklichsten Jahre verbracht habe. Riga auf den Spuren von Heinz Erhardt zu erkunden ist ein faszinierendes Abenteuer, denn bei solch einem Stadtrundgang lernt man auch viel von der Bedeutung der deutschbaltischen Oberschicht und deren Leben vor dem Zweiten Weltkrieg kennen. Heinz Erhardts Familie kann da als Beispiel dienen. Sie war um 1760 aus der Pfalz dem Werben von Zarin Katharina der Großen gefolgt und siedelte sich in der damals russischen Ostseeprovinz Livland an. Viele Gräber von Familienmitgliedern sind bis heute erhalten und können besucht werden. Die Vorfahren Heinz Erhardts stiegen zu einflussreichen Bürgern von Riga auf, auch nach dem Ende des Zarenreichs in der nun selbstständigen Republik Lettland. Heinz Erhardts Onkel Robert war von 1907 an Abgeordneter in der russischen Staatsduma und wurde 1919 Finanzminister der lettischen Republik. Großvater Jacob Erhardt war im Ersten Weltkrieg Stadtrat und Bürgermeister.
Eine Stadtführung auf den Spuren der Familie Erhardt führt zur Schule Heinz Erhardts, den Sitz der Musikalienhandlung und Konzertagentur seines Großvaters Neldner und zahlreichen Lieblingscafés wie das Café Schwarz und das Café Reiner sowie anderer Auftrittsorte des jungen Heinz Erhardt, darunter auch das das ehemalige deutsche Theater. In Zeitungsarchiven finden sich zahlreiche Berichte über den Künstler sowie Texte von Heinz Erhardt.
BALTIKUMREISEN organisiert auf Anfrage gern Literatur- und spezielle Themenstadtführungen über Heinz Erhardt, bei Interesse nehmen Sie bitte unter info(at)baltikumreisen.de Kontakt auf.